T66_Instalation
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Einen völlig anderen Aspekt untersucht der Schweizer Peter Steinmann. Ihm geht es in seiner Arbeit nicht um Biologie oder Chemie, nicht um die Entstehung des Lebens. Er beschäftigt sich vielmehr mit dem Danach. Was geschieht, wenn wir zum ersten Mal die Augen öffnen, wenn wir die Welt um uns herum wahrnehmen. Licht spielt dabei natürlich die zentrale Rolle. Licht lässt uns Linien und Flächen erkennen und gegeneinander abgrenzen. Wir lernen Nähe von Ferne zu unterscheiden, Distanzen einzuschätzen. Wir entwickeln die Fähigkeit, Konturen, Licht- und Schattenflächen zu strukturieren, zu interpretieren und erfahren uns dadurch in dem uns umgebenden Raum als Subjekt. Peter Steinmann hat jahrelang als Architekt Räume entworfen und konstruiert und ist der Frage nachgegangen, welche Wirkung sie auf uns Menschen ausüben können. Sein künstlerisch zentrales Thema wurde die Wahrnehmung. Seine Forschungen fokussieren sich aber nicht auf das Erkennen von Linien und Konturen. Fällt Licht auf eine Fläche, wird es durch die Beschaffenheit des Materials zurückgeworfen. Unterschiedliche Materialien lösen differenzierbare Reflexionen aus. Ändert sich dadurch nur unsere konkret messbare Verortung im Raum oder auch unser emotionales Empfinden als Subjekt in diesem Raum? Für seine Forschungen baut Peter Steinmann aus Kartonscheiben fiktive kleine Räume mit Boden, Wänden und Decke nach. Darin experimentiert er mit allerlei Lichtquellen und fotografiert diese Inszenierungen. Zu Forschungszwecken werden die Aufnahmen vergrößert und auf großflächige Bildträger aus gebürstetem Aluminium gedruckt. Das bezieht auch die Umgebung in die Reflexion ein, was durch zusätzliches Tageslicht und Deckenlicht noch verstärkt zu werden scheint. Wenn Sie im Obergeschoss an seinen großen Raumbildern vorbeigehen, was nehmen Sie innerhalb dieser Flächen wahr? Ein Mikrokosmos wird jeweils mit Licht zelebriert als Makrokosmos. Er suggeriert eine Realität, der wir begegnen können. Sie spiegelt aber nur eine Scheinwelt, eine rein virtuelle Welt. In unserer schnelllebigen Zeit erleben wir eine meditativ anmutende Schulung für unsere Augen. Und genau dazu fordert uns Peter Steinmann auf. Inszenierungen dienen immer einem Zweck - nicht immer nur einem positiven. Licht ermöglicht Manipulationen bis hin zu Folter. Licht-Inszenierungen im Raum operieren leise und subtil mit unseren Emotionen.
Regine Kemmerich-Lortzing